Frauen und Kinder werden in Flüchtlingsunterkünften immer häufiger Opfer von sexuellen Übergriffen. Die Zahl der Anzeigen steigt, doch ist immer noch gering – denn die meisten Opfer schweigen.
In den Hamburger Flüchtlingsheimen sind die Übergriffe auf Frauen und Kinder angestiegen. Die Fälle, in denen Kindern zu Opfern werden, häufen sich: So wurden in den vergangenen drei Monaten vier Strafanzeigen in mutmaßlichen Missbrauchsfällen gestellt. Auch die Gewalt gegen Frauen steigt: Das Landeskriminalamt meldet für das Jahr 2015 und Januar 2016 insgesamt neun Strafanzeigen in Flüchtlingsunterkünften.
In den Heimen der städtischen Gesellschaft “Fördern & Wohnen” wurden seit Jahresbeginn fünf Fälle von sexueller Gewalt registriert. Hinzu kommen vier weitere registrierte Übergriffe in anderen Flüchtlingsheimen, darunter sexuelle Nötigung und häusliche Gewalt. Das ergab eine Kleine Anfrageder FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Jennyfer Dutschke an den Senat. Dass es zu einer höheren Zahl an Übergriffen gekommen ist, kann aber auch mit der stark erhöhten Zahl der Flüchtlinge in den Asylunterkünften liegen.
Wenig Anzeigen, hohe Dunkelziffer
Es gibt allerdings Befürchtungen, dass die Dunkelziffer deutlich höher liege. Das “Hamburger Abendblatt” schildert einen Fall aus der Sprechstunde eines Heims: Die Handgelenke einer jungen Syrerin hatten sich unter dem Druck starker Hände dunkel verfärbt, an der Innenseite ihrer Oberschenkel waren Striemen zu sehen. Ärztin und Assistent raten der Frau, ihren Vergewaltiger anzuzeigen. Doch sie weigert sich, will keine Anzeige erstatten, nicht einmal untersucht werden.
“Für arabische Frauen ist es die vorstellbar größte persönliche Schande, durch einen Übergriff entehrt zu werden”, sagt eine Medizinerin aus einer Unterkunft des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) zum “Hamburger Abendblatt”. Ein beträchtlicher Teil der weiblichen Flüchtlinge habe mindestens Belästigungen durch einzelne Bewohner erleiden müssen, erzählen Mitarbeiter von “Fördern & Wohnen”. Entsprechend hoch sei die Zahl der Opfer, die den Täter nicht anzeigen.
Schutzräume und räumliche Trennung senken die Zahl der Übergriffe bisher nicht
Nach Angaben des Senats wird bereits versucht, alleinreisende Frauen mit Kindern besondere Schutzräume zu bieten. “Nach wie vor achten wir darauf, allein reisende Frauen und ihre Kinder in einem separaten Bereich nah an den Büros des Personals unterzubringen. Wir halten an allen Standorten auch weibliches Wachpersonal vor”, sagte die Sprecherin der Gesellschaft “Fördern & Wohnen”, Susanne Schwendtke, dem “Hamburger Abendblatt”. Zudem versuchen die Betreiber und Betreuer, eine Verbesserung der Situation zu erreichen, indem sie Täter oder Opfer in andere Einrichtungen verlegen, sobald es Hinweise auf Übergriffe gibt.
Kommentar verfassen