Warum in diesem Schloss nur 28 Flüchtlinge wohnen

Viele gerade erst aufwendig eingerichtete Flüchtlingsunterkünfte im Norden sind unterbelegt oder stehen leer. Bezahlt und bewacht werden müssen sie trotzdem. Jetzt laufen die Gemeinden Sturm.

Leerstand statt Ansturm: Auch auf Schloss Salzau könnten mehr Flüchtlinge leben
Foto: dpa

Eigentlich sollte es eine gute Nachricht für Schleswig-Holsteins Kreise, Städte und Gemeinden sein. Bis Ende April, so teilte Landesinnenminister Stefan Studt (SPD) Ende Januar mit, werde sein Ministerium nur noch 200 Flüchtlinge pro Monat auf die Kommunen verteilen müssen.

Also nur noch gut ein Viertel der Menge, die noch im Januar aus den landeseigenen Erstaufnahmeeinrichtungen in die kommunalen Folgeunterkünfte gekommen war. Endlich Entlastung für die vom Flüchtlingsansturm seit dem vergangenen Herbst überrannten Gemeinden also. Sollte man jedenfalls meinen.

Die Wirklichkeit sieht – nicht in allen, aber in vielen Orten des nördlichsten Bundeslandes – offenbar anders aus. Nachdem bereits in der Vorwoche die Dithmarscher Kreisstadt Heide über den Leerstand einer gerade erst für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge hergerichteten Kaserne geklagt hatte, legte Anfang dieser Woche der Landrat des Kreises Rendsburg-Eckernförde nach.

In einem Brandbrief an Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) beschwert sich Rolf-Oliver Schwemer (parteilos) über die Tatsache, dass in den Gemeinden seines Kreises inzwischen deutlich weniger Flüchtlinge ankommen als erwartet.

Folge: Viele der mehr als 600 in den vergangenen Monaten in Rendsburg-Eckernförde für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge geschaffenen Wohnungen und Wohncontainer stünden leer. Auf den entstandenen Kosten blieben die Kommunen sitzen. Abgerechnet wird in Schleswig-Holstein nämlich wie in den meisten anderen Bundesländern pro zugewiesenen Flüchtling.

90 Prozent der tatsächlich entstehenden Kosten übernimmt im Norden die Landesregierung. Sie zahlt den Gemeinden außerdem eine Integrationspauschale, ab Februar sind das 2000 Euro pro Kopf. Deutlich weniger Flüchtlinge heißt deshalb für die jeweiligen Kommunen auch deutlich weniger Geld. Miete und Unterhalt für die bereit gehaltenen Immobilien müssen sie trotzdem zahlen.

Studts “Entlastung” für die Kommunen, so schreibt Landrat Schwemer laut “Kieler Nachrichten” an Albig, bedeute, dass seine Städte und Gemeinden nunmehr “auf Vorhaltekosten in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro sitzen” blieben.

Damit stehen die Kommunen in Rendsburg-Eckernförde nicht allein. In Heide beispielsweise bewacht ein vorab verpflichtetes Wachunternehmen derzeit die leer stehende Kaserne. Der Vertrag läuft bis Jahresmitte. Allein das kostet die Stadt monatlich mehrere Tausend Euro. Von den Kosten der Herrichtung des auf maximal 240 Flüchtlinge ausgelegten Kasernengebäudes ganz zu schweigen.

Auch die Kreise Schleswig-Flensburg, Dithmarschen und Ostholstein berichten von ähnlichen Problemen. “Nicht nur die Kommunen seien deshalb verunsichert”, berichtete der Eutiner Landrat Reinhard Sager (CDU) dem “Flensburger Tageblatt”, auch private Investoren hinterfragten jetzt ihr Engagement.

Andererseits gibt es auch in Schleswig-Holstein nach wie vor Kommunen, die den Ansturm der Flüchtlinge nur mit Mühe bewältigen. So sind Leerstandsprobleme im Kreis Nordfriesland ebenso wenig aktenkundig wie in der Landeshauptstadt Kiel. Es stünden nach wie vor eher zu wenige Unterkünfte für zu viele Flüchtlinge zur Verfügung, berichtet die Kieler Stadtsprecherin Annette Wiese-Krukowska der “Welt”.

Dort will die Stadt gerade im Ortsteil Suchsdorf eine neue Großsiedlung für Flüchtlinge errichten. Die ohnehin nicht überwältigende Akzeptanz der Suchsdorfer Bürger für diese Maßnahme dürfte angesichts der Meldungen aus den Landkreisen weiter zurückgehen.

44 Prozent der Erstaufnahmeplätze sind belegt

Zumal auch die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Schleswig-Holstein derzeit viele freie Plätze vorweisen. So sind in der größten Unterkunft des Landes in Boostedt derzeit 57 Prozent der 1884 Plätze unbelegt; in Neumünster (1850 Plätze) stehen 900 Betten leer. In der Kaserne Putlos sind nach Angaben der Landesregierung aktuell sogar nur 101 von 1440 Plätzen belegt.

Im auf dem bisherigen Höhepunkt der Flüchtlingswelle zur Unterkunft umgebauten Landeskulturzentrum Schloss Salzau, einem ehrwürdigen Herrenhaus im Kreis Plön, leben derzeit nur 28 Flüchtlinge. 320 Betten stehen dort zur Verfügung. Unterm Strich sind derzeit 44 Prozent der schleswig-holsteinischen Erstaufnahmeplätze belegt.

Ob und, wenn ja, in welche Richtung sich diese Zahlen weiterentwickeln, kann derzeit im Norden niemand vorhersagen. Vergleicht man die Zahl der knapp 3000 Flüchtlinge, die in diesem Jahr bisher in Schleswig-Holstein Aufnahme gefunden haben, mit den entsprechenden Zahlen der Vorjahre, dann müsste man für 2016 immer noch mit einem Ansturm rechnen, der den des Jahres 2015 noch einmal deutlich übertrifft.

In der Kieler Landesregierung denkt deshalb derzeit niemand daran, die Kapazitäten zurückzufahren oder auf geplante Unterkünfte zu verzichten. Da seriöse Prognosen unmöglich seien, so ein Sprecher des Innenministeriums, bleibe dem Land derzeit nichts anderes übrig, als mit den zeitweiligen Leerständen zu leben.

Quelle: Warum in diesem Schloss nur 28 Flüchtlinge wohnen

 

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