Im Landkreis Pfaffenhofen ist ein Flüchtling an den Folgen einer Hepatitis-B-Infizierung gestorben. Mitbewohner und Flüchtlingshelfer fragen sich jetzt besorgt, ob sie sich angesteckt haben. Denn von dem hohen Risiko haben sie erst im Nachhinein erfahren. Von Susanne Pfaller
Auslöser ist der Fall eines verstorbenen Nigerianers, der in Geisenfeld (Lkr. Paffenhofen) in einer Flüchtlingsunterkunft lebte. Nur durch Zufall hatte die ehrenamtliche Asylhelferin Birgit Lachermeier erfahren, dass der von ihr betreute Flüchtling an einer hochansteckenden Form der Hepatitis-B leidet.
Wie der Bayerische Rundfunk erfahren hat, hatte das zuständige Gesundheitsamt in Pfaffenhofen nicht über die hohe Ansteckungsgefahr informiert, weil das Amt selbst keinen Überblick hatte. Wie die Behörde einräumt, verfügt sie nicht über die Befunde der Erstuntersuchungen der rund 1.600 Flüchtlinge im Kreis Pfaffenhofen. Diese Erstbefunde geben Auskunft für ansteckende Krankheiten wie TBC, HIB und Hepatitis B. Landrat Martin Wolf will nun prüfen, ob hier ein Fehler im Gesundheitssystem vorliegt.
“Ich schließe nicht aus, dass wir hier einen Systemfehler haben, den wir beheben müssen.”
Landrat Martin Wolf
Gesundheitsministerium: “Helfer werden über ihr Risiko informiert”
Bislang hat sich das Gesundheitsministerium nur allgemein zu der Thematik geäußert. In einem Schreiben an den Bayerischen Rundfunk heißt es, dass “in der Regel … dem örtlich zuständigen Gesundheitsamt die Untersuchungsberichte der Asylbewerberinnen bzw. Asylbewerber, die in einer Unterkunft im Zuständigkeitsbereich untergebracht sind … vorliegen”. Weiter heißt es: Die Befundberichte der Untersuchungen, z.B. Röntgenuntersuchungen der Lunge, Blutuntersuchung auf HIV- und Hepatitis-B-Infektionen, würden “von der durchführenden Stelle zeitnah an das einsendende Gesundheitsamt elektronisch bzw. schriftlich übermittelt”.
Betreuer, ehrenamtliche Helfer und Mitbewohner, die einen “ansteckungsrelevanten Kontakt zu einer infektiösen Person hatten, werden durch das Gesundheitsamt über ihr Risiko, selbst zu erkranken, und die notwendigen Schutzmaßnahmen aufgeklärt“.
Nur durch Zufall von Krankheit erfahren
Über 41 Millionen Virus-Einheiten
Das hohe Ansteckungsrisiko resultiert aus dem hohen Ausmaß der Virämie des Patienten. Dieser hatte bereits seit spätestens Mitte Januar (16.01.2016) über 41 Millionen Virus-Einheiten. Das belegen Arztbriefe, die dem Bayerischen Rundfunk vorliegen. Bereits bei über zehn Millionen Virus-Einheiten (IE/ml) spricht das Robert-Koch-Institut “von hoher Infektiosität”. Hepatitis B wird ähnlich übertragen wie HIV, also vor allem über das Blut und Sexualkontakte.
Nur durch Zufall hatte die ehrenamtliche Helferin Birgit Lachermeier erfahren, dass der von ihr betreute Flüchtling Ahmed Gimba an einer hochansteckenden Form der Hepatitis-B leidet. Wie die Helferin dem Bayerischen Rundfunk gegenüber erklärte, habe sie auf der Intensivstation des Klinikums Ingolstadt von einem Stationsarzt erfahren, dass der Patient “hoch ansteckend” sei. Zuvor war sie mit dem Blut des Kranken in Berührung gekommen.
Über dieses Ansteckungsrisiko hat das zuständige Gesundheitsamt Pfaffenhofen niemanden informiert, weder den Arbeitskreis Asyl noch die Mitbewohner des am 9. Februar verstorbenen Hepatitis-B-Patienten.
“Vom einem Stationsarzt des Klinikums Ingolstadt wurde mir dann mitgeteilt, dass der Patient hoch ansteckend an Hepatitis-B erkrankt ist. Dass er auf keinen Fall mehr in die Gemeinschaftsunterkunft nach Geisenfeld zurück kann und dass sein Zimmer dort professionell desinfiziert werden muss.”
Asylhelferin in Geisenfeld
Tropenmediziner: “Probleme bei der Dokumentation und Übermittlung”
Nach Angaben von Tropenmediziner Professor August Stich von der missionsärztlichen Klinik in Würzburg gibt es beim medizinischen Umgang mit Flüchtlingen “große Probleme bei der Dokumentation und Übermittlung von Untersuchungsbefunden”.
“Wir in der Klinik wissen überhaupt nichts von den Befunden, die im Rahmen der Erstuntersuchung erhoben werden. Die liegen im Zuständigkeitsbereich der Gesundheitsbehörden. Und in der Regel erhalten wir auch auf Nachfrage nicht diese Untersuchungsbefunde.”
Tropenmediziner Professor August Stich, Würzburg
Auch die Flüchtlinge, bei denen pathologische Befunde diagnostiziert worden sind, würden laut Professor Stich die Ergebnisse ihrer eigenen Erstuntersuchung oft erst spät oder gar nicht erhalten, “weil der Patient im Rahmen von Kettenumverteilungen wieder ganz woanders ist”. Problematisch sei deshalb, dass die Erstuntersuchungen von “jemand gemacht wird, der dann im Anschluss nicht auch die Betreuung und Behandlung der Patienten übernimmt.“ Gesammelt werden sollen die Befunde der Erstuntersuchung im LGL, dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
“Innerhalb der Sammelunterkünfte, der Notunterkünfte ist eine Ansteckung (…) von einer Vielzahl von Krankheiten sehr leicht möglich. Das fängt bei Krätze an und hört bei Hepatitis auf.”
Tropenmediziner Professor August Stich, Würzburg
Entlassung aus Klinik trotz hoher Ansteckungsgefahr
Fragen wirft im Fall Ahmed Gimba auch das Verhalten des Klinikums Ingolstadt auf: Mit Verweis auf die Schweigepflicht lässt das Klinikum die Frage des BR unbeantwortet, ob und wann es das Gesundheitsamt Pfaffenhofen darüber informiert hat, dass der Patient hoch ansteckend war. Keine Stellungnahme gibt es auch zu der Frage, wie und warum man einen hoch ansteckenden Patienten bei früheren Klinikaufenthalten entlassen und wieder in die Gemeinschaftsunterkunft nach Geiselfeld zurück geschickt hat. Das Klinikum Ingolstadt bestätigt gegenüber dem Bayerischen Rundfunk nur, dass der Patient in Ingolstadt insgesamt dreimal wegen Hepatitis-B in Behandlung war.
Quelle: Ansteckende Krankheiten bei Flüchtlingen: Der Fall Gimba schlägt Wellen
Bild: BR
Letzte Kommentare