Lore und Edi Seiberle blicken auf leere Auftragsbücher. Ihr Ferienhaus wird nach ihrer Aussage deutlich weniger angemietet, seit im ehemaligen Naturfreundehaus gegenüber Flüchtlinge leben. | Bild: Isabelle Arndt
Wer das Ferienhaus Seeperle in Bodman bucht, erhält die benachbarte Flüchtlingsunterkunft inklusive. Vermieter Edi Seiberle spricht über Probleme und Hoffnungen. Gemeinde und Landratsamt reagieren.
Wenn Edi Seiberle auf seinem Balkon steht, blickt er direkt auf das ehemalige Naturfreundehaus, in dem heute rund 70 Flüchtlinge leben. Sein Problem: Wer sein Ferienhaus an der Kaiserpfalzstraße in Bodman gebucht hat, freut sich auf Ferien mit Seeblick. Seit November 2014 gibt es in unmittelbarer Nähe nun die Flüchtlingsunterkunft und 2015 sei es zu Problemen gekommen, die ihm negative Bewertungen eingebracht hätten. „Jetzt herrscht Leere im Auftragsbuch“, sagt der 47-Jährige mit Wohnsitz in Sipplingen. In diesem Jahr habe er 50 Prozent weniger verdient als im selben Zeitraum des Vorjahres. Seit ein Gast in einer Bewertung die Flüchtlingsunterkunft negativ erwähnt habe, blieben Gäste aus. Im Juni schrieb Viola K. aus Kirchentellinsfurt auf dem Portal Ferienhausmiete: „Das Haus grenzt direkt ans Asylantenheim, dort wohnen 70 Menschen, was bis in die Nacht zu einem extremen Lautstärkepegel sorgt.“
Im Juni habe es einige Beschwerden gegeben, bestätigt Bürgermeister Matthias Weckbach, doch das Landratsamt habe umgehend reagiert. Heute ist es ruhiger, wie eine weitere Bewertung zeigt: „Der Blick auf das Asylantenheim ist etwas gewöhnungsbedürftig, wird aber durch den See, das Haus und den Ort mehr als wettgemacht. Die Ruhestörung von dort können wir nicht bestätigen“, schreibt Jens K. aus dem niedersächsischen Winsen im Oktober. Das Problem für die Behörden: „Egal wo ich bin, der Nachbar wird immer empfindlich sein“, sagt Ludwig Egenhofer, Leiter der unteren Aufnahmebehörde des Landkreises. Er wolle nicht abstreiten, dass die Qualität dort etwas abgenommen habe, doch man gebe sich alle Mühe. „Einen erwachsenen Menschen zu erziehen, ist ein Problem“, räumt Egenhofer ein, zumal mit jedem neuen Flüchtling die integrative Arbeit von neuem beginne. Doch jeder ankommende Flüchtling werde von der Heimleitung eingewiesen.
Auch Seiberle bestätigt, dass sich die Situation verbessert hat: Ein Sicherheitsdienst und die Polizei kämen zwei bis drei Mal pro Nacht vorbei. Er sieht sich in einer Zwickmühle, denn Gäste hätten ihm auch schon von einer Razzia erzählt, die es nie gegeben hat. In Zukunft will er gegenüber Gästen offen mit den Nachbarn umgehen: „Es ist ja nie etwas passiert“, stellt er klar, daher müsse niemand Angst haben.
Von Seiten der Behörden habe Seiberle sich mehr Unterstützung gewünscht. „Dass es für ihn schwierig ist, verstehe ich auch“, sagt Bürgermeister Weckbach, doch es fehle die Kausalität. Die Kurtaxe zu erlassen, wie Seiberle es vorschlage, sei nur bei Maßnahmen wie einer Baustelle möglich – außerdem falle die Kurtaxe ja nur für Übernachtungen an und ändere nichts an möglicherweise ausbleibenden Buchungen. Seiberle wolle erstmal kein Gespräch mit der Gemeinde führen, doch Weckbach habe ihm angeboten, am Jahresende gemeinsam ein Fazit zu ziehen.
Seiberle berichtet von einem weiteren Angebot: Sein Haus für eine Monatsmiete von 800 Euro für Flüchtlinge bereit zu stellen. „Selbst 1000 Euro würden nicht weiterhelfen“, sagt Seiberle, schließlich finanziere er mit der Vermietung seinen Lebensunterhalt. Das gilt auch für seine Mutter Lore, die das Haus 2008 mitgekauft hat und mit den Einnahmen ihre Rente aufbessert.
Die Vermietung seines Hauses für Flüchtlinge sieht Seiberle als letzte Option: „Das will ich auch meinen Nachbarn nicht zumuten.“ Ein Nachbar, Rolf Scherer, hat seine Ferienwohnung inzwischen aufgegeben: Bei so vielen Menschen gebe es immer Probleme, sagt Scherer verständnisvoll, doch niemand sage ihnen, wie man damit fertig werde. Daher werde er in Zukunft nicht mehr vermieten und die Fenster zulassen. Edi Seiberle hat Hoffnung: „Dieses Jahr ziehe ich es auf jeden Fall noch durch.“
Die Unterkunft
In der Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Naturfreundehaus in Bodman leben etwa 70 Menschen in 30 Zimmern. Im Oktober 2014 hatte die Gemeinde mit dem Landratsamt die Pläne vorgestellt, seit November leben dort besonders Familien. Die Nutzung wurde für 24 Monate vereinbart, die Gemeinde stellt aber eine Verlängerung in Aussicht: „Wir wollen unsere Verantwortung, was die Unterbringung von Flüchtlingen angeht, auch tragen“, sagt Bürgermeister Matthias Weckbach. Laut Polizei geht es in Bodman relativ ruhig zu, wie ein Pressesprecher mitteilt: Für das gesamte vergangene Jahr sind nur sechs Zwischenfälle verzeichnet, fünf Ruhestörungen und eine Körperverletzung.
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